AUSBILDUNG ZUR KLAVIERBAUERIN

Ida Brunken hat es fast geschafft: Nur noch zwei Monate, dann kann sie ihre Ausbildung im Klavierhaus Helmich in Verden mit der Gesellenprüfung abschließen. „Das waren drei spannende Jahre“, findet die 23-Jährige, die mit dieser Berufswahl eine ausgesprochen seltene Entscheidung getroffen hat. Nur etwa 40 Auszubildende zum Klavierbauer gibt es bundesweit pro Jahrgang – und nicht jeder von ihnen hält durch bis zum Schluss.

Denn für junge Menschen ist diese Ar­beit eine recht einsame Angelegenheit: „Der größte Teil der Ausbildung spielt sich in der Werkstatt ab“, erklärt Mo­ritz Helmich, „und man ist dort über weite Strecken ganz allein.“ Außer dem Firmengründer Ulrich Helmich und seinem Sohn Moritz sind zwei weitere Klavierbauer hier be­schäftigt, doch eine Mitarbeiterin ist gerade in Elternzeit. Zu dritt teilen sich die anderen eine Fülle von Aufgaben: Präsenz in den Ausstellungsräumen, in denen Kunden beraten und Verkäufe getätigt werden; täglich anfallende Klavierstimm-Termine, Klavier­transporte und Betreuung von Kon­zerten – und eben die Arbeit in der Werkstatt. Und so ist Ida Brunken häu­fig ganz auf sich allein gestellt dort unten im Keller, wo zu jeder Zeit ei­nige überholungsbedürftige Instru­mente tief in ihr Innerstes blicken las­sen.

„Daran habe ich mich inzwischen ge­wöhnt“, sagt die junge Frau, die nach dem Abitur von Ostfriesland nach Verden gezogen ist. „Ich wollte gern etwas Besonderes machen,“ erklärt sie, „etwas, was völ­lig anders als Schule ist“. Als begabte Klavierschülerin hatte sie einen guten Draht zu diesem Instrument, und oh­nehin sollte es etwas Handwerkliches sein. Im Praktikum zeigte sich, dass sie sich gut vorstellen konnte, mit Klavieren zu arbeiten, und schließlich wurde sie aus einer großen Zahl von Bewer­bern – auch aus dem Ausland – ausgewählt.

FÜLLE VON EINZELHEITEN

Am Anfang habe sie immer nur stau­nen können darüber, welche Fülle von Einzelheiten stimmen müssen, damit ein Klavier so klingt, wie es soll: „Frü­her war ein Klavier für mich einfach ein Klavier; ich habe nie darüber nachgedacht, was in ihm passiert.“ Doch im Laufe der Ausbildung wurde sie immer vertrauter mit der erstaun­lich differenzierten Mechanik, die sich – anders als in fast allen anderen Berei­chen der Technologie – im Laufe der Jahrhunderte gar nicht allzu stark ver­ändert hat. Schritt für Schritt wurde sie mit den Handgriffen vertraut, die das Geheimnis des Instru­ments ausmachen: „Filze und Hämmer richten oder austauschen, Saiten er­neuern, die gesamte Mechanik über­holen, stimmen und intonieren.“ Into­nieren – damit ist gemeint, festzulegen, wie der korrekt gestimmte Ton am Ende klingen soll: härter, weicher, scharf prägnant oder eher abgerundet. Jeder Ton muss nicht nur in sich, son­dern auch zum ganzen Instrument und nicht zuletzt zu seinem Spieler passen. Moritz Helmich hat viel Routine darin, ein Instrument genau nach den Wün­schen der Pianisten, die er betreut, auszurichten. „Der Hammerkopf ist es, der über den Klang entscheidet“, weiß der junge Meister. 

Die Arbeit am Klang ist sicherlich die anspruchsvollste Aufgabe. Natürlich braucht man ein sicheres Gehör; Kla­vier spielen zu können, ist keine zwin­gende, aber doch eine gute Vorausset­zung. „Ohne die Liebe zum Instrument und zur Musik geht es nicht“, erklärt Helmich, der für die Ausbildung seiner angehenden Gesellin zuständig ist. Vor allem beim Stimmen der Instrumente sei Erfahrung ein wesentlicher Faktor. Mit der Zeit werde das Ohr immer sen­sibler, bis der Mensch auch feinste Nuancen zu hören in der Lage sei. Natürlich sei auch die Kosmetik wich­tig: „Das Gehäuse polieren ist eine Aufgabe, die vor allem bei den Flügeln regelmäßig anfällt.“ Klar, denn in dem glänzenden Lack muss sich der Spieler spiegeln können: Mit seiner makello­sen Oberfläche beeindruckt solch ein edles Instrument bereits vor dem Kon­zert.

„Alles, was ich gelernt habe, muss ich immer wieder üben, bis es zur Routine wird“, erklärt Brunken. Dabei gebe es sicherlich Dinge, die spannen­der sind und andere, die weniger Spaß machen. „Natürlich ist es interessanter, ein Klavier ganz neu zu beziehen als die alten Saiten zu stimmen.“ Beson­ders bei immer wieder kehrenden all­tägliche Aufgaben brauche man vor allem eines: jede Menge Geduld.

„Inzwischen habe ich eigentlich alles durch, was auf dem Ausbildungsplan steht“, sagt die angehende Klavierbau­erin. Gerade hat sie gelernt, einen Re­sonanzboden auszuspanen. Das muss gemacht werden, wenn im Lauf der Zeit Risse entstanden sind, und dabei ist größte Sorgfalt für den Klang des Instrumentes lebenswichtig. Überhaupt gebe es eine Reihe Aufga­ben rund um die Holzbearbeitung, die sie besonders gern mache. „Das sind eigentlich ganz normale Tischlerar­beiten“, erklärt sie.

Ulrich Helmich ergänzt: „Man muss sich nicht nur mit dem rein Handwerklichen, sondern auch mit der Materialbeschaffenheit auskennen, muss genau wissen, welches Holz wie reagiert.“ Alles über Materialkunde lernt die Auszubildende in den Block­seminaren der Berufsfachschule, die einmal jährlich stattfinden. Eine einzige gibt es in Deutschland, und die ist in Ludwigsburg bei Stuttgart. Natür­lich sind diese Seminare und der Kon­takt zu den anderen Auszubildenden eine willkommene Abwechslung, doch die Arbeit in der Werkstatt gefällt der jungen Frau noch besser. „Am schönsten war es, als ich einmal eine geschnitzte Holzleiste bei einem alten Klavier ausbessern sollte“, erzählt sie. Das so hinzubekommen, dass man den Schaden hinterher nicht mehr sieht, sei eine echte Herausforderung.

Gerade steht ein weit über hundert Jahre altes Instrument in der Werkstatt, dessen Tasten sogar noch mit echtem Elfenbein belegt sind. Doch die Res­tauration solch alter Veteranen sei ex­trem aufwändig und lohne sich längst nicht immer, sagt Helmich. „Manch­mal bitten uns Kunden, ein Instrument zu überholen, damit sie es besser ver­kaufen könnten. Doch diese Rechnung geht leider selten auf; viel öfter müs­sen wir den Kunden davon abraten.“ 

Wenig Sorgen bereitet der Familie Helmich, die das größte Klavierhaus der gesamten Region führt, der Vor­marsch der digitalen Tasteninstru­mente, die sich übrigens auch hier in der Ausstellung finden. „Digitale Klaviere können die Möglichkeiten des mechanischen Instrumentes nicht ersetzen, sondern bestenfalls ergän­zen“, so Helmich: „Das rein physische Erlebnis des Klavierspiels ist über­haupt nicht mit dem Spiel auf einem digitalen Instrument zu vergleichen.“ Auf digitales Spiel auszuweichen, sei wohl für Hobbymusiker, die etwa in Mehrfamilienhäusern wohnen, die ein­zige Möglichkeit, denn so könnten sie lautlos, also mit Kopfhörern spielen. Doch der Wunsch junger Eltern, ihrem Kind das Spiel auf einem richtigen Klavier zu ermöglichen, nehme sogar noch zu. „Und Klaviere, die gestimmt werden müssen, wird es immer ge­ben.“

Und wie steht es um die Perspektiven für den Klavierbauer-Nachwuchs? „Nach der Ausbildung einen Arbeitsplatz zu finden, ist überhaupt kein Problem“, weiß Helmich. Im Gegenteil, es gebe viel zu wenig Fachkräfte für die vielen Klavierhäuser und -fabriken im Land. Das sei auch einer der Gründe, warum er sich vor drei Jahren entschlossen habe, selbst aus­zubilden. Für Brunken ist also auch nach der Gesellenprüfung gesorgt: Sie wird dem Klavierhaus Helmich als Mitarbeiterin erhalten bleiben. Und für das Jahr 2022 ist dann wieder „Nach­wuchspflege“ angesagt: „Wir haben mit Ida so gute Erfahrungen gemacht, dass wir auch weiterhin ausbilden möchten.“ 

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UNGEWÖHNLICHE AUSBILDUNGEN: DIE 20-JÄHRIGE IDA BRUNKEN ERLERNT DEN BERUF DER KLAVIERBAUERIN

Weserkurier vom 6.10.17

Von Serena Bilancieri            Foto: Björn Hake

Verden. Die Ausbildung von Ida Brunken klingt für Musikliebhaber wie ein Traum. Sie arbeitet mit den verschiedensten Klavieren und Flügeln, jeden Tag. Man könnte sagen, dass sie die Geheimnisse der Instrumente kennt. Denn die 20-Jährige aus Leer macht eine Ausbildung zur Klavierbauerin. Musikalische Begeisterung sei jedoch nicht das Einzige, auch nicht mal das Wichtigste, das eine Klavierbauerin brauche, sagt sie. Es gehe eher um das handwerkliche Geschick. Das wird jedem klar, der ihr auch nur wenige Minuten lang bei der Arbeit zusieht. Die junge Frau in Jeans und lockerer Kleidung zieht mit Fingern und Schraubenzieher schnell einen grünen Filzstreifen zwischen die Saiten eines Klaviers. „Drei Saiten geben einen Ton ab“, erklärt sie. „Ich muss zuerst den Streifen durch die Saiten ziehen, bevor ich das Klavier stimmen kann.“ Nachdem der Ton durch den Stoff gedämpft ist, setzt Brunken mit ihrem Stimmhammer an den Stimmwirbeln an – das sind die kleinen Metallstifte, die die Klaviersaiten auf Spannung halten. Sie justiert sie nach, damit die Tasten wieder den richtigen Ton erzeugen. Deren Höhe gleicht sie mit einer Stimmgabel ab. „Ein absolutes Gehör wäre dabei nicht von Vorteil“, sagt Moritz Helmich, Klavierbaumeister und Inhaber des Klavierhauses Helmich. Er beaufsichtigt die Arbeit seiner Auszubildenden, die kürzlich in dem Betrieb in Verden angefangen hat. Musik und Handwerk verbinden Klavierstimmer müssen den Ton auf den Bezugston stimmen sowie auf die Klänge daneben liegender Tasten. Jemand, der nach absolutem Gehör stimme, könnte damit ein Problem haben, sagt Helmich. Nicht alle Klaviere haben nämlich die gleiche Tonhöhe. Auch müsse der Ton so rein wie möglich, aber nicht übertrieben rein werden – sonst sei er dann zu hoch. „Eine gewisse Musikalität ist aber schon ein Vorteil für diesen Job“, sagt Brunken. Sie selbst spielt Klavier, seit sie neun Jahre alt ist. Nach dem Abitur wollte sie dann etwas tun, das Musik und Handwerk verbindet. „Ich habe das Meine gefunden“, sagt sie jetzt.
Ida Brunken ist eine Rarität, so könnte man sagen. In Deutschland gibt es eine einzige Schule für Klavierbauer, in Ludwigsburg bei Stuttgart; auch Instrumentengeschichte oder Mathematik werden dort gelehrt, und nur etwa 30 Schüler im Jahr besuchen sie. Brunken findet es „cool“, dass nicht so viele den Job kennen. „Es ist eben etwas Besonderes.“ Nach Abschluss der Ausbildungszeit habe man in der Regel eine relativ breite Auswahl, was mögliche Jobs angeht, erzählt Helmich. Manche Klavierbauer kommen bei Theatern unter, andere bei einem der Klavierhersteller in Handwerksbetrieben oder in Musikgeschäften.
Bei Helmich lernen die Auszubildenden den Umgang mit den Kunden im Geschäft kennen, denn das Klavierhaus verkauft auch Instrumente. Schließlich gibt es immer noch viele Kunden, die trotz der Bequemlichkeit des elektronischen Keyboards oder der EPianos auf einem richtigen Klavier spielen wollen. „Und ich auch“, sagt Brunken. In den weißen, hohen Altbau-Räumen des Ladengeschäfts in Verden sind neue und restaurierte Flügel aufgereiht. An den Wänden hängen Kunstgemälde. „Es ist die Kombination aus der besonderen, künstlerischen Atmosphäre im Haus und der Entspannung bei der Handarbeit, die mir besonders gefällt“, sagt Brunken. Klavierbauer müssen nicht nur mit Stimmgeräten, sondern auch mit Holz umgehen können. Die Ausbildung umfasst deswegen auch Bestandteile der Tischlerlehre. Klavierbauer beweisen sich hier mit kleineren Arbeiten und erlernen den Umgang mit den Werkzeugen. In der Werkstatt, die sich im Souterrain befindet, ist der Kontrast zu den Ausstellungsräumen groß. Klaviere stehen offen mitten im Raum, Werkzeuge für die Holz und Metallbearbeitung hängen von der Wand. Brunken holt einen Holzkasten aus einem Fach. „Das habe ich selbst gebaut, es ist eine Resonanzbox, zum Einstimmen“, sagt sie. Ein gewisses handwerkliches Geschick sei auch bei bestimmen Reparaturen an den Klavieren notwendig. Etwa beim Austauschen der Hammerköpfe.
Der Filz, der diese umspannt, ist für die Qualität des Klangs wichtig und muss ab und zu gewechselt werden. „Ihn am ganzen Klavier auszutauschen dauert ungefähr zwei Tage, aber wenn man noch unerfahren ist, dauert es länger“, sagt Helmich. Wer den Beruf erlernen wolle, brauche auch viel Geduld, sagt Brunken. „Man muss am Anfang immer alles achtmal machen, so gefühlt“, sagt sie und lacht. Bedachtsamkeit sei in der Werkstatt unabdingbar.
Eine Frage von Millimetern Helmich zeigt eine kleine Spalte am Holzkörper, der mit Filz verkleidet ist. „Wenn der ausgetauscht werden muss, ist das eine Frage von Millimetern“, sagt Helmich. Es komme darauf an, ein Gespür dafür zu bekommen, wie dicht der Filz an die Seiten gedrückt werden muss.
Fingerspitzengefühl ist in Umgang mit den teilweise älteren Klavieren und Flügeln sowieso gefragt. „Jedes Klavier ist anders“, sagt Jochen Kaiser, ein Mitarbeiter, der seit 20 Jahren diesen Beruf ausübt. Es sei schon eine enge Beziehung, die man als Klavierbauer zu seinen jeweiligen Instrumenten aufbaue.
Ungefähr drei Monate dauert es, bis ein Klavier komplett renoviert ist, erklärt Helmich. „Und jedes ist individuell“, sagt Kaiser. Wie ein Forscher müsse man sich dem Instrument annähern, um dessen Geschichte zu rekonstruieren. Alles, was es erlebt hat, und die Art, wie es gebaut wurde, beeinflusst irgendwie schließlich den Klang. Für Klavierbauer sei das, was die meisten nicht sehen, eigentlich am wichtigsten. Am Ende der Werkstatt-Besichtigung ist von Musikgesprächen nicht mehr die Rede. Die Arbeit einer Klavierbauerin setzt viel früher an, an dem Punkt, bei dem noch kein musikalischer Diskurs entstanden ist. „Es ist eben in erster Linie ein Handwerksberuf“, sagt die Auszubildende. In ihren Pausen jedoch dürfe sie auch einfach mal Klavier spielen

MUSIKALITÄT TRIFFT HANDWERKLICHES GESCHICK.

Mit Fingerspitzengefühl klemmt Ida Brunken einen roten Stoffstreifen zwischen die Saiten. Das soll den Ton dämpfen. Dann demonstriert sie unter Anleitung von Ulrich Helmich, wie man mit dem Stimmhammer nachjustiert, damit die Tasten wieder gut klingen. Für den routinierten Klavierstimmer dauert der Vorgang rund eine Stunde, „wenn es schnell gehen muss“, wie Helmich sagt. Anfänger wie die 20-Jährige bräuchten schon mal einen ganzen Tag, um so einem Flügel wieder zum guten Klang zu verhelfen.

Mit ihrer Ausbildung zur Klavierbauerin ist Ida Brunken einzigartig im Landkreis. Zum August hat sie im Verdener Klavierhaus Helmich angefangen und ist dafür aus ihrer Heimat Leer an die Aller gezogen. Ihr neuer Chef Ulrich Helmich ist schon seit 1997 in Verden, nachdem er mit seinem Betrieb aus Blender weggezogen war. Jetzt bildet das Unternehmen erstmals aus und bekam auf die Ausschreibung Bewerbungen aus ganz Deutschland, sogar aus Italien, erzählt Helmich.

Nach Informationen von Bernd-Uwe Metz, Sprecher der Arbeitsagentur Nienburg-Verden, gibt es im Bereich der Musikinstrumentenbauer sonst keine Auszubildenden in den Landkreisen Diepholz, Nienburg und Verden – in ganz Niedersachsen sind es 35. In den Bereich der seltensten Ausbildungsberufe in der Region fällt auch der Goldschmied: „Im Landkreis Verden haben wir sieben Personen, die sich hauptberuflich mit kunsthandwerklicher Metallgestaltung beschäftigen“, weiß Metz. Auszubildende sind darunter zur Zeit allerdings nicht.

Musikalität trifft Handwerk

Ida Brunken ist jedenfalls mit Feuereifer bei der Sache. „Ich hatte Klavierunterricht und arbeite gerne handwerklich, darum habe ich mich für den Beruf interessiert“, sagt die junge Frau. Musikalische Fähigkeiten sind allerdings keine zwingende Voraussetzung für den Job, sagt Helmich. Ein gutes Gehör könne allerdings nicht schaden, schließlich nimmt das Klavierstimmen einen großen Teil der Arbeit ein. Und auch obwohl die Profis bei Helmich heute eine App auf dem Smartphone zum Stimmen benutzen, muss die Auszubildende natürlich bei Null anfangen.

Mit der seltenen Ausbildung müsse man später nicht zwingend im Unternehmen bleiben, meint Klavierbauer Jochen Kaiser. Er arbeitet seit 18 Jahren bei Helmich und leitet die neue Auszubildende gerade in der Werkstatt an. Wovon sich auch Ida Brunken vor Ort noch ein Bild machen wird, ist beispielsweise die Fabrik des Klavierherstellers Schimmel in Braunschweig. Doch als Exot muss man flexibel und mobil sein: Die einzige Berufsschule in ganz Deutschland sitzt in Ludwigsburg bei Stuttgart. Dort werden für die jährlich rund 30 Schüler Blockseminare veranstaltet.

Und auch wenn sich die 20-Jährige dazu entscheiden sollte, in dem Metier zu bleiben, wird sie viel fahren müssen. „Wir haben einen Arbeitsumkreis von rund 100 Kilometern“, sagt der Chef. Ein weiteres Standbein des Verdener Betriebs ist auch der Verleih von Konzertflügeln, unter anderem an musikalische Größen wie Max Mutzke oder Gregory Porter, wenn sie in der Region gastieren. Bei letzterem brachten Helmich und seine Frau das Instrument jüngst selbst in Bremerhaven vorbei, um sich dann gleich das Konzert anhören zu können, erzählt der gebürtige Thedinghauser.

Während oben im Ausstellungsraum an der Eitzer Straße die fertig restaurierten Exemplare auf Kundschaft warten, wird unten in der Werkstatt gerade wieder ein Flügel in seine Einzelteile zerlegt. Das Holz des sogenannten Resonanzbodens muss aufgearbeitet werden, dazu wird der schwere Gussrahmen mit einem kleinen Kran herausgehoben.

„So wird das Klavier seit 100 Jahren gebaut, da war die Entwicklung ausgereift“, stellt Helmich angesichts der Konstruktion fest und zeigt auf einen generalüberholten Flügel aus dem Jahr 1914, der aussieht wie frisch aus dem Werk. Für Ida Brunken geht die Ausbildung erst einmal handwerklich los, sie muss sich zunächst im Tischlern üben. So soll sie ein Gefühl für die Holzarbeiten entwickeln. Bevor sie dann an den Instrumenten der Kunden für den guten Ton sorgen darf, muss sie allerdings noch ein paar Jahre üben.

Verdener Nachrichten 15.08.2017 Von Anna Zacharias      Fotos von Björn Hake

CHÖRE VON ST. WILLEHADI PROBEN MIT KEYBOARD, WEIL DAS ALTE PIANO LÄNGST SEINE KLANGFÜLLE VERLOREN HAT

„Ehre sei Gott“ und „Tochter Zion“ tönt es vielstimmig im großen Saal des St. Willehadi-Gemeindehauses. Etwa 50 Mitglieder der im September gegründeten Senioren-Kantorei sind an diesem Vormittag zur Chorprobe gekommen. Die Damen und Herren im Alter zwischen 55 und 85 Jahren sind begeisterte Choristen. Dörthe Graue beschreibt es treffend: „Gesang durchflutet uns. Das Singen beglückt und erfüllt uns, und wir gehen jedes Mal gestärkt und frohgemut wieder nach Hause.“ Unter den Chormitgliedern ist auch Bärbel Uttecht, die schon seit 60 Jahren im Chor singt. Angefangen hat sie im Kinderchor bei Fräulein Wendeburg. Dr. Christopher Schlage aus Ritterhude hat bereits als Student gesungen. Und Ria Kühl behauptet: „Ich möchte singen bis ich sterbe.“

Noch probt die Senioren-Kantorei unter der Leitung von Caroline Schneider-Kuhn ohne Flügel.

Diese gesangsfreudige Gemeinschaft hat schon in so manchem Konzert mitgewirkt. Singen ist für sie die Grundstimmung des Lebens. Die Mitglieder der Senioren-Kantorei kommen aus einem größeren Umkreis von Beverstedt über Worpswede und Ritterhude bis nach Osterholz-Scharmbeck. Gemeinsam mit der Scharmbecker Kantorei bildeten die Senioren einen Pool an erfahrenen Sängern, die verlässlich seien und auf die man jederzeit zurückgreifen könne, erklärt die engagierte Kirchenkreis-Kantorin Caroline Schneider-Kuhn. Die Senioren-Kantorei sei durchaus kein „Kaffee-Klatsch für ältere Frauen“, auch die männlichen Stimmen seien überraschend gut besetzt, berichtet sie. Die Kirchenmusikerin versteht es, die Chorsänger zu motivieren und zu guten, „präzisen“ Leistungen zu führen.

Auch an diesem Vormittag begleitete Schneider-Kuhn die Senioren-Kantorei im Gemeindesaal. Dabei spielte sie auf einem Keyboard. Stimmlicher Wohlklang mit elektronischen Tonelementen – das will allerdings gar nicht so recht zueinander passen. Das weiß auch die Kantorin. „Wir sammeln schon seit geraumer Zeit Geld und suchen nach einem neuen Flügel“, sagt sie.

Sammlung vor dem Abschluss

Der alte Flügel, ein Instrument der Firma Rachals, steht verwaist in der Ecke des Raumes. Er ist über hundert Jahre alt. Die Tasten sind abgegriffen, das Holz ausgeblichen. In Ehren alt geworden, hat er im Laufe der Jahre seine Klangfülle verloren. Die Saiten klirren und geben nur dumpfe Töne von sich. Das greise Stück lässt sich nicht mehr stimmen. „Uns ist schon seit langem klar, dass er entsorgt werden muss“, erklärt Schneider-Kuhn. Schließlich ist der Flügel ein wichtiges Trainingsinstrument für die etwa 175 Sängerinnen und Sänger, die regelmäßig im Gemeindesaal proben. Der 45-köpfige Kinderchor, die Kantorei mit 80 Mitgliedern und neuerlich die Senioren-Kantorei mit 50 Choristen. Seit Jahren rührt die Kirchenmusik von St. Willehadi die Werbetrommel und sammelt Spenden, um die finanziellen Mittel für einen Neukauf zusammenzukriegen, berichtet Caroline Schneider-Kuhn. Pastor Glaser imkert und verkauft seinen Honig zugunsten eines neuen Flügels. Die Eltern des Kinderchores haben gespendet, aber auch die Mitglieder der Kantorei. „Wir stehen im Prinzip kurz davor, die Summe für eine neues Instrument beisammen zu haben“, freut sich die Kantorin. Der letzte Rest fehle allerdings noch. Wer den Kauf unterstützen möchte, kann sich an die Kirchenmusikerin wenden. Beim Klavierhaus Helmich in Verden steht der Yamaha-Flügel schon bereit.

„Wir freuen uns schon aufs neue Jahr. Im Frühjahr soll das neue Instrument kommen, ein mittelgroßer Flügel, 1,78 Meter lang und mit einem warmen Klang ausgestattet“, schwärmt sie.

Osterholzer Kreiszeitung , Peter Otto vom 30.12.2015

KOREANERIN YUJIN KIM GIBT BEGEISTERNDES KONZERTDEBÜT IM KLAVIERHAUS HELMICH

Verden - Die Hauskonzerte im Klavierhaus Helmich haben längst Tradition und versprechen immer eine ganz besonderes Musikerlebnis. Seit mehreren Jahren besteht zudem eine Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. Jetzt hatten die Gäste die Gelegenheit, eine junge Pianistin aus der Klavierklasse von Professor Jochen Köhler kennen zu lernen. Die erst 17-jährige koreanische Pianistin Yujin Kim gab an diesem Abend ihr Debüt und verzauberte ihr Publikum mit Werken von Scarlatti, Mozart, Chopin, Liszt und Schumann.
Professor Köhler bescheinigte Yujin Kim eine außergewöhnliche Begabung. Aufmerksam auf die junge Koreanerin wurde er während der Sommerkurse an der Universität Halle. „Ihr Spiel war faszinierend“, berichtete er. Seit etwa einem Jahr ist Kim nun Vollzeitstudentin an der Universität Halle. Sie hat bereits mehrere Wettbewerbe gewonnen.
Durch ihre bescheidene, natürliche Art gewann die junge Künstlerin sofort die Sympathie des Publikums. Schnell wurde aber deutlich, dass sie trotz ihrer Jugend eine gereifte musikalische Persönlichkeit ist.
Yujin Kim eröffnete das Konzert mit drei Sonaten von Domenico Scarlatti. Dem mitreißendem Allegro der Sonate C-Dur folgte die getragene Sonate f-Moll. Ausdrucksstark und klar spielte die junge Pianistin dann die Sonate d-Moll, die mit ihrem hohen Tempo und schnellen Bewegungsabläufen eine hohe Virtuosität verlangte.
Mit dem Adagio h-Moll KV 540 stand ein spätes Werk von Wolfgang Amadeus Mozart auf dem Programm. Bei der Interpretation dieser ernsten Komposition voller satztechnischer Besonderheiten zeigte Yujin Kim ihre gestalterische Reife. Ihr Gespür für subtile Klänge wurde auch Chopins Mazurka a-Moll op. 17,4 deutlich. Die folgende Etüde gis-Moll op. 25,2 von Chopin gehört zu den am schwierigsten zu spielenden Klavierstücken. In sehr hohem Tempo müssen beide Stimmen gleichzeitig mit einer Hand gespielt werden. Wer Gelegenheit hatte, auf die Hände der jungen Pianistin zu schauen war von deren Beweglichkeit fasziniert. Ruhiger und zum Träumen einladen folgte dann Chopins wunderschönes Nocturne Des-Dur.
Zum Abschluss des ersten Teils stellte sich Yujin Kim mit der Konzertetüde „La Campanella“ von Franz Liszt einer der größten Herausforderungen für Pianisten überhaupt. Berüchtigt ist dieses Stück durch rasante Passagen und große Sprünge der rechten Hand bis zu zwei Oktaven sowie schnelle Bewegungen für den Ring- und den kleinen Finger. Auch hier zeigte Kim wieder ihre unglaubliche Fingerakrobatik. Nach dem furiosen Schluss wurde sie vom begeisterten Publikum mit Bravo-Rufen bedacht.
Nach der Pause ging es mit den Symphonischen Etüden op. 13 von Robert Schumann weiter. Dieses bedeutende Werk besteht aus zwölf Variationen zu einem Thema. Yujin Kim verstand es, die Unterschiede herauszuarbeiten und dabei gleichzeitig den Bogen um das Gesamtwerk zu spannen. Am Ende sparten die Zuhörer nicht mit begeistertem Applaus. So gab es als Zugabe zwei Stücke des armenischen Komponisten Aram Chatschaturjan, den Walzer aus „Maskerade“und dem temperamentvollen „Säbeltanz“ aus dem Ballett „Gayaneh“.
Ahk
Verdener Aller Zeitung 1.4.15

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