Die Klaviatur des Geschäfts


28. Oktober 2012

DAS KLAVIERHAUS HELMICH HAT DEN EINBRUCH DER BRANCHE ÜBERSTANDEN / HAUSMARKE WIRD IN CHINA PRODUZIERT

Verden. Es ist ein altes Schulgebäude, in das Katrin und Ulrich Helmich 1997 mit ihrem Klavierhaus eingezogen ist: rote Backsteine, Efeu an der Fassade, Holzgeländer im Treppenhaus, lange Flure und hohe Decken. Rund 60 verschiedene Klaviere und Flügel stehen über zwei Etagen zum Probespielen bereit. Das besondere Flair des denkmalgeschützten Hauses sei ihnen wichtig gewesen, sagen Helmichs. "Im Industriegebiet Räume zu mieten, das konnten wir uns vom Ambiente her nicht vorstellen", sagt Katrin Helmich. Alle paar Monate veranstaltet das Ehepaar Hauskonzerte – Klavierlehrer und begabte Laien können hier auftreten.

Doch so romantisch der Klang eines Klaviers auch sein mag, das Geschäft ist genauso hart wie in jeder anderen Branche. Der Start Anfang der 80er Jahre sei nicht einfach gewesen, erinnert Katrin Helmich sich. Mit einem kleinen Koffer sei ihr Mann zunächst losgezogen, um Klavierstimmungen anzubieten. Als unbekanntes Jungunternehmen eine Verkaufslizenz für die begehrten Markenklaviere von Schimmel zu bekommen, sei ein ganz schöner Kampf gewesen. Rund dreißig Jahre später haben Helmichs auch die beiden Marken, die im Mittelklassebereich führend sind, im Programm: Yamaha und Steinway & Sons.

Der teuerste Steinway-Flügel, den Helmichs bereit halten, kostet 82000 Euro. "Der muss erstmal Geld verdienen", sagt Ulrich Helmich scherzhaft, dazu werde er als Konzertflügel vermietet. An der nächsten Wand stehen drei Steinway-Klaviere nebeneinander. Sie sehen alle ähnlich aus, sind es aber nicht. Helmich verrät die unterschiedlichen Preise: 26000 Euro, 13000 Euro, 6500 Euro. Dann verrät er die unterschiedlichen Produktionsorte der drei Klaviere: Deutschland, Japan, China.

Wie in vielen Bereichen hat sich auch in der Klavierbranche durchgesetzt, wegen geringerer Lohnkosten bestimmte Segmente in Asien produzieren zu lassen. Doch der Preisunterschied, so Helmich, sei beim Klavier auch durch die Materialqualität bedingt. "Bei den sehr hochwertigen Klavieren werden vom Holzmaterial 70 bis 80 Prozent aussortiert, weil es nicht der gewünschten Qualität entspricht." Ein Klavierhammer aus besonders hochwertigen Gebirgsfichten klinge anders: Der Ton bleibe immer angenehm, auch wenn man das Klavier lauter spiele. Zudem sei die Nuancierung genauer.

Doch die Nachfrage nach günstigen Klavieren, vor allem für Einsteiger und Schulen mit wenig Budget, kam auch bei Helmich an. Vor zehn Jahren führte er deshalb eine Eigenmarke ein: Das günstigste Modell kostet 2790 Euro. Hergestellt wird es ebenfalls in China. "Wir haben uns mit Kollegen aus ganz Deutschland zusammengetan, um ein Klavier so günstig wie möglich anzubieten", sagt er. Das sei eine Reaktion auf die vielen Billigangebote aus dem Internet gewesen. Mit Erfolg: Ein paar Hundert habe er schon verkauft. Den starken Einbruch der Klavierbranche im Jahr 2009 habe sein Geschäft überstanden, sagt er. Dennoch, fügt er hinzu, eine Absatzsteigerung habe es damals nicht gerade gegeben.

Der Verkauf von Klavieren war 2009 auf Grund der weltweiten Wirtschaftskrise um 30 Prozent gesunken, sogar der Traditionshersteller Schimmel musste während der Krise Insolvenz anmelden. Mittlerweile hat sich die Klavierbranche wieder erholt. Burkhard Stein, Vorstandsvorsitzender des Herstellerverbands und Geschäftsführer von Grotrian-Steinweg, sagt: "Ab Mitte 2010 hat sich die Entwicklung umgedreht, jetzt sind wir wieder auf Vorkrisenniveau." 13000 Klaviere wurden im vergangenen Jahr in Deutschland hergestellt, dieses Jahr werde die Zahl ähnlich hoch sein, so Stein. Zum Vergleich: Weltweit werden jährlich rund 450000 Klaviere produziert, 280000 davon in China. Insgesamt 15000 Instrumente wurden 2011 in Deutschland verkauft, 4000 davon stammen aus deutscher Herstellung.

Helmichs Kunden sind überwiegend Privatleute, aber auch Schulen, Musikschulen und Universitäten. "Die teuren Steinway-Klaviere werden aber fast ausschließlich von Privatleuten gekauft", sagt er. Ein hochwertiges Klavier sei wie eine Geldanlage, so Helmich, denn es verliere kaum an Wert. Etwa so lang wie ein Menschenleben halte ein gutes Klavier.

Für Reparaturen haben Helmichs im Keller eine Werkstatt eingerichtet. Sägen, Scheren, Hämmer liegen hier bereit, auch ein Bügeleisen. "Wenn man das Filz vom Hammer lösen will, erhitzt man den Stoff", sagt Helmich, dann löse sich der Klebstoff. Die Generalüberholung eines Klaviers dauert mehrere Monate. Alle 6500 Teile werden dazu auseinandergebaut, die Kosten belaufen sich auf "5000 Euro aufwärts", sagt Helmich. Das sei nur etwas für Liebhaberstücke oder hochwertige Instrumente.

Tony Blairs Frau kauft ein

Prominentes Kunden-Beispiel war Cherie Blair, Ehefrau von Großbritanniens Ex-Premierminister Tony Blair. Über einen Zufall sei der Kontakt zum Klavierhaus Helmich entstanden. "Die Zahnärztin von Frau Blair in London, die bei uns Kundin ist, hatte uns empfohlen", sagt Helmich. Frau Blair habe sich dann per Internet ein älteres Instrument ausgesucht, das er rundum erneuert habe. Dann wurde es in das Landhaus der Blairs transportiert – für Helmich natürlich Chefsache. "Es war mir eine Ehre, dort die Erststimmung vorzunehmen", sagt er.

Im ersten Stock zeigt Helmich die restaurierten Gebrauchtklaviere. Es sind alte Stücke, mit kunstvoll aufgemalten Markennamen, Holzschnitzereien und integrierten Kerzenleuchtern. Die Stücke stammen aus Nachlässen und Zwangsversteigerungen. Neben Verkauf, Stimmung und Reparatur bieten Helmichs auch den Transport selber an. "Wenn wir einen Konzertflügel verleihen", sagt Ulrich Helmich, "hören meine Frau und ich uns oft das Konzert mit an und nehmen den Flügel hinterher gleich wieder mit." Zum Stimmen fahren Helmichs Mitarbeiter – außer Sohn Moritz sind noch zwei weitere Klavierbauer beschäftigt – Adressen zwischen Hannover und Bremerhaven ab.

Ulrich Helmich spielt seit seiner Kindheit Klavier. Wenn er allerdings einen Tag lang Klaviere gestimmt hat, setzt er sich abends selten noch mal freiwillig ans Klavier. Dann, sagt er, mag er die Ruhe lieber.

 Weser Kurier (Kurier am Sonntag) 28.10.2012

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